Medizintour Rio Quiquibey Februar 2020

Bob-WM am Quiquibey

Un, dos, tres! Yayayaya! Und an der Stelle sollte eigentlich der schnelle Antritt kommen – kommt er aber nicht…

Aber erstmal von vorn. Nachdem wir uns wegen der krassen aggressiven politischen Aufstände und Blockaden, dem provoziertem Chaos nach der Flucht des Präsidenten, eine Deadline bis max. zum 12.12.19 gesetzt hatten für das Buchen der Flüge nach Bolivien – also ob oder ob nicht, ob doch lieber über den Landweg einreisen oder auch gar nicht, da sowie so weder Benzin noch Medikamente gekauft werden können – sind wir wieder hier und alles ist fertig zur Abfahrt. So ganz rund läuft noch nicht alles im bolivianischen Getriebe, aber es ist ruhig. Es gibt wieder Benzin zu kaufen und alle Lebensmittel. Nur die bestellten Medikamente waren leider nicht vollständig. Ja, und die Leitung des Krankenhauses verweigert plötzlich wieder die Kooperation – die Begründungen klingen fadenscheinig. Traurige Konsequenz: Wir müssen ohne Impfungen und Impfer losfahren, leider! Mist, für die Dörfer am Oberlauf des Quiquibey war das die einzige Chance dieses Jahr 2020!!! Ein dummer Rückschritt. Die letzten vier Jahre hatte es hervorragend funktioniert!!! Ich werde gerade wieder wütend….

Jedenfalls ist alles fertig zur Abfahrt. Sonia, seit Jahren unsere Zahnärztin, hat sich von ihren Kindern verabschiedet. Cesare, der Doc, ist erst gestern frisch aus La Paz eingetroffen und hat sich schnell noch Gummistiefel und „Mückentödolin“ besorgt. Joselo, der Administrator der“ Fundacion Salud del Rio Beni“ und sein Sohn Pablo als Volontär und Mädchen für alles genießen ihre Frühstücksempanadas. Juan richtet sich in der Bootspitze als Puntero, also Ausguck und Wassertiefenmesser ein. Melwin gibt am Motor das Zeichen zum Ablegen …. Und legt nach 100m flussauf wieder an, stürmt von Bord. Öl vergessen. Aber jetzt!! Torsten winkt und wünscht uns „Hals- und Beinbruch“. Er wird die nächsten Tage im Refugio gebraucht zum Bauen.

Das Wetter ist gut. Wir düsen durch die Canyons, registrieren uns bei den Rangern und erreichen nach gut 2 Stunden die Mündung des Rio Quiquibey. Wir merken es deutlich am rotbraunen Flusswasser aus den Bergen, welches einen klaren Kontrast zu den graubraunen Fluten des Rio Beni bildet. Verdammt breit die Mündung und verdammt flach! Das wird knifflig! Pablo war zur letzten Medizintour im November bereits mit und erzählt mir, dass sie im November hier umgekehrt sind. Keine Chance auch nur das erste Dorf zu erreichen. Mit Hilfe eines Stocks zeigt Juan Melwin permanent die Wassertiefe an, per Handzeichen dirigiert er ihn und unser 10m langes Boot im Slalom herum um unsichtbare Untiefen, durch gut sichtbare Baumfriedhöfe – allein diese Zeichensprache ist unglaublich. An Schwallstrecken wird förmlich Anlauf genommen und kurz vor der „Stufe“ reißt Melwin den Motor hoch. Statt nach 10 Minuten erreichen wir Asuncion nach einer gefühlten Ewigkeit. Dort ist das ganze Dorf am Fluss versammelt und füllt Sandsäcke. Jede Familie muss ein bestimmtes Kontingent beisteuern. Die Steilküste in Asuncion ist ca. 25m hoch. Seit 4 Jahren frisst sich der Fluss ins Dorf. Eine Fläche von mehreren Fußballfeldern hat er bereits verschlungen u. a. Häuser, die neuere und die alte Schule, Pflanzungen, die Zuckerrohrpresse. Die Sandsäcke werden jetzt quasi als Wellenbrecher diagonal in die Strömung gestapelt. Was für eine Schinderei und was für ein Kampf gegen Windmühlen. Wir geben Bescheid, dass wir auf der Rückfahrt am Mittwochabend oder Donnerstagmorgen hier halt machen. Beim Ablegen „krümelt“ das Steilufer gerade wieder vor sich hin….

Die pantomimische Konversation zwischen Juan und Melwin geht weiter…. Aber irgendwann rumpelt es gefährlich. Juan springt aus dem Boot. Jetzt blos nicht quer zur Strömung kommen!!! Sonst schlägt womöglich das Boot um! Und vor allem darf die Bootsschraube nicht beschädigt werden. Hier kommt kein ADAC! Also alle Mann raus und schieben!! Un, dos, tres! Yaaaaaaa… Für Yayayaya fehlen uns leider die Monsteroberschenkel unserer Bob-Elite ;o))). Wenig elegant ist die Rückkehr ins Boot. Sonia darf mit ihren gerademal 1,50m im Boot bleiben – erstmal. Kraft genug hätte sie alle mal! Lachend gehts mit triefenden Hosen weiter. Das Schieben ist nicht so schlimm, aber wir kommen nicht vorwärts und es ist keine Besserung in Sicht. Was uns helfen würde wäre Starkregen in den Bergen um La Paz. Stattdessen geht ein ordentliches Tropen Gewitter genau über uns nieder. Egal, nass sind wir sowieso und die Ausrüstung ist gut abgedeckt. Es sei denn, dass Wasser sammelt sich so rasant im Boot, dass wir volllaufen – also ran an die Schöpfer! Immer wieder raus-rein. Die Stunden gehen dahin, Kurve um Kurve. 16.00 Uhr – eigentlich wollten wir längst in San Bernardo sein. Nicht mal die Hälfte haben wir geschafft. Ich schlage Joselo einen Plan B vor. Statt nach S. B. fahren wir nur bis Corte und können dort eventuell wenigstens heute noch behandeln, oder wenigstens einen Teil. Wir schlafen dort und schlagen uns morgen weiter flussaufwärts durch. Melvin stimmt auch erleichtert zu. Der Motor bedarf dringender Pflege. 17.00 Uhr winkt uns die Kinderschar von Corte an den besten Anlegeplatz. Jetzt heißt es zügig umpacken. Der Tag hat zwar noch genug Stunden, aber um sieben wird es dunkel! Wir schnappen uns die Medikamenten Kisten, Papiere usw. und staunen nicht schlecht, als uns Dorfchef Don Justo zu einer nagelneuen Schulhütte führt. Jawoll, Corte hatte 2019 einen Lehrer und es hat sich was getan im Weiler Corte! Es gibt sogar ein paar Bänke und Tische, gespendet vom Distrikt. Wie haben die die in der Trockenzeit wohl hierher gebracht? Zum Glück wohnen hier nur 5 Familien. Das erleichtert das Zusammentrommeln. Joselo sortiert die Patientenbögen aus, Familie für Familie und sofort gibt’s die erste Verwirrung. Leonso´s Hütte steht am nächsten. Da seine Frau Patrona kaum spanisch spricht, fragt Joselo ihn erstmal, wieviel Kinder er hat und nach deren Namen. Er will erstmal alle zugehörigen Bögen raussuchen. Leonso muss ganz schön überlegen – scheinen doch viele zu sein und komischerweise sind viele gleich alt?!? Das können doch nicht alles Zwillinge sein!! Sind wir doof! Na klar, Leonso hat doch 2 Frauen, 2 Schwestern, und zählt uns gerade alle seine Kinder auf, während er aber nur mit einer Frau und gerademal 4 Kindern vor uns steht. Darauf kommen wir aber erst nachdem auch Juanita seine andere Frau eingetroffen ist.  Wiegen (für etwaige Medikamentenkalkulationen), Blutdruck bei den Erwachsenen messen und dann geht’s los. Wie immer versorge ich erstmal alle mit einer Wurmkur. Diesmal bewaffnet mit einer Fingerpuppe –„ Doctor Raton“(Dr. Maus). Dr. Maus überredet Große und Kleine mit viel Charm, albert mit den Kleinen, flirtet mit den Großen. Immerhin sind wir Fremde und gerade die Kinder haben doch die ein oder andere schmerzhafte Erinnerung an einen Arzt, von den Impfern ganz zu schweigen. Bei mir lachen jedenfalls noch fast alle! Zur Tablette gibt’s Wasser, sauberes Wasser, was wir extra aus Rurre mitgebracht haben. Für die Jüngeren habe ich das Medikament zum Nuckeln in einer Spritze – da wird’s manchmal dann doch dramatisch. An meiner Seite steht „Dr.Tiburon“(Dr. Haifisch) – er belohnt jedes tapfere Kind mit einem Luftballon. Melwins 10-jähriger Sohn Torster assistiert mir. Er ist das erst mal mit. Auch für ihn, obwohl aus Rurre, ist es eine völlig andere Welt und er gibt sich echt Mühe. Später hilft er beim Medikamente raussuchen und bringt sie stolz zu Dr. Cesare. Auch die Ärzte und Joselo haben kleine Fingerpuppen(Danke Frida!!!) – das schafft Entspannung. Familie für Familie nimmt vor Cesare Platz – also Leonso natürlich zweimal. Da sitzen mitunter komplette Fußballmannschaften und es kann sehr, sehr laaaaange dauern, bis man Details zum Unwohlbefinden herausgelockt hat. Na klar, ohne Uhr, ohne Kalender, bei so vielen Kindern und harter Arbeit…. Neben der Wurmkur übertrage ich für den Doc alle Daten vom Patientenblatt ins Sprechstundenregister – keine Ahnung warum – aber in Bolivien ist das nun mal so. Auf das Rezept müssen dann auch nochmal alle Daten. Eigentlich – wurde aber wegen „sinnlos“ vor langer Zeit abgewählt. Unsere Patienten können nicht lesen, mit etwas Glück vielleicht den Namen. Dosierung und Uhrzeit der Einnahme werden gemalt. Ich versuche Cesare die Medikamente immer gleich zu bringen, damit er sich gleich erklären kann. Am Ende, wenn alle durch sind, wird nochmal erklärt und bestenfalls geübt. Verrückt, an was man alles denken muss! So treiben uns Fläschchen mit Sicherheitsverschluss regelrecht in den Wahnsinn. Wir müssen es teilweise mit Mutter und Vater immer wieder versuchen. Manchmal sind es dann ausgerechnet die Geschwister, die das blöde Ding endlich aufkriegen – Kindersicherung mal anders. In unserem Fall ist es tatsächlich unnötiger, zusätzlicher Risiko-/Stressfaktor. Ist die Familie beim Arzt durch, fängt Sonia gleich alle zusammen weg für die Zahnkontrolle, Fluorierung und das Zahnputzprogramm. Leider ist noch kein Lehrer da, was eine Kampagne mit allen gemeinsam zu schwierig macht. Dank lieber Unterstützer haben wir genügend Zahnbürsten und Zahnpasta dabei für alle. Es dauert trotzdem alles lange und das Tageslicht verschwindet, während die Stechviecher deutlich mehr werden. Aber nanu, uns geht ein Licht auf! Eine Solarpaneele hilft uns, doch noch alle zu behandeln. Wir sind also vorerst, trotz des Wasserstandes, im Plan! Jawoll! Erst nach 21.00 Uhr bauen wir unsere Zelte auf. Stellen 2 Tische unters Sternenzelt und Melwin hat inzwischen mit Juan und Pablo am Boot gekocht. Es war ein langer Tag. Aber bei einem Feierabendschluck und Kokablättern sitzen und lachen wir trotzdem noch bis fast Mitternacht. Wichtig fürs Team, schlafen können wir später.

Die Wolken hängen tief am nächsten Morgen. Das sieht nach Regen aus. Es rumpelt auch schon in der Ferne. 7.00 Uhr Frühstück, bereits mit Proteinen im Kaffee – Sandfliegen. Sensationell pünktlich legen wir ab und sind kurze Zeit später klitschnass. Platzregen und Boot schieben. Der Wasserstand hat sich nicht geändert. Naja, ist eben so, caracho! Gegen 10.00 Uhr erreichen wir San Luis Chico – um die 15 Familien leben hier und seit dem letzten Hochwasser weit weg vom Fluss. Gequält schultern wir Taschen und Kisten. Wenigstens müssen wir nur alles für die Sprechstunde mitschleppen. Sogar sauberes Wasser gibt in SLC!!! Am Ufer“ begrüßt“ uns ein zum Trocknen gespanntes Jaguarfell. Vor einer Woche erlegt. In Dorfnähe[T1]  stellte er für die Menschen eine Bedrohung dar und darf deshalb getötet werden. Trotzdem tut der Anblick mir immer noch weh. Ein paar Jungs helfen uns tragen. 20 Minuten schweißtreibender Fußmarsch durch Busch, Pflanzungen und 2 Flüsschen. Leider hat beim Freischlagen des Pfades niemand an Gringas mit Überlänge gedacht. Mit der Medikamentenkiste auf dem Kopp bin ich nun noch größer… Aber wenigstens die anderen haben Spaß…

Und irgendwann hat der Weg ja ein Ende. Zielstrebig halten wir auf die Schulhütte zu. Eigentlich gibt’s 2 Klassenzimmer. Aber erstmal sind die Schlüssel für die Vorhängeschlösser nicht aufzutreiben. Hammer und Schraubenzieher schaffen Abhilfe ohne größeren Schaden. Aber da ist ist in einem Raum ein Wespennest, warnen uns die Kinder. OK, nehmen wir eben den anderen. Vorsichtig wird jeder Tisch erstmal beäugt, denn im Staufach haben sich mitunter neu kleine Wespennester angesiedelt. Sonia und ich schleppen betroffene Tische nach draußen. Die Familienväter kümmern sich drum. Auch die Bänke müssen erstmal sorgfältig inspiziert werden. Als wir eine schöne Tarantel aus ihrem Nest aufschrecken, verzweifelt Cesare endgültig. Naja, er war halt lange in la Paz. Joselo arbeitet derweil vor und nimmt schon die ersten Patienten auf – wie immer - Familie für Familie. Endlich stehen alle Möbel, die Tarantel ist umgezogen – los geht’s. Natürlich verirren sich immer wieder Wespen ins „Sprechzimmer“, schließlich sind alle Zimmer nach oben offen. Aber mit den Deckeln unserer Medikamenten Kisten haben wir eine effiziente Waffe. Sieht halt nur komisch aus, der riesige, unhandliche Deckel und die 3 cm große Wespe – aber keiner will gestochen werden. Hier gab es in den letzten Jahren regelmäßiger Lehrer und damit erbmäßiger Schulunterricht als in anderen Comunidades. Das heißt, auch viele der Kinder sprechen spanisch und – noch besser – sie können die Namen und den des Medikaments lesen, wenn wir alles groß und deutlich schreiben. Trotzdem brauch alles seine Zeit. Vor allem viele Frauen sind schüchtern und reden nur sehr leise und verzagt. Die Männer und Jugendlich helfen beim Übersetzen. Aber die Hilfsbereitschaft ist auch ein Dilemma mitunter. Umringt von Vater/Mann, Onkel, Nachbar oder Bruder redet man nun mal nicht über alles. Leider sind wir nicht in der Luxusposition uns einen Arzt oder eine Ärztin auszusuchen – aber es gibt zum Glück viele Wege. Sonia als Einheimische ist ja auch noch da. Dr. Raton und Dr. Tiburon sorgen erstmal für gute Stimmung. Sonia muss fast sofort die ersten Zähne ziehen. Geschickt lenkt Pablo die Kids mit den Luftballons ab, sonst würde Sonia sofort von allen umringt. Man kann gar nicht nahe genug sein! Während bei uns fast jeder „stirbt“, wenn er bei sowas zugucken müsste. Auch bei notwendigen Injektionen müssen wir Zuschauer verbannen. Es kostet nicht nur Kraft, sondern auch Überwindung, die Jüngsten fest zu fixieren. Vor allem, wenn das Penizillin einfach nicht gegen die Muskelspannung ankommt und dadurch alles noch viel länger dauert. Für Verwirrung sorgt diesmal ein Mädel, das zwar einen Auswies hat, aber laut diesem erst 9 Jahre alt ist. Eindeutig falsch, eindeutig einsetzende Pubertät. Sonia bestätigt nach einem Blick auf die Zähne unsere Vermutung – tippt auf 12 oder 13 Jahre. Tja und nun – wir können zwar unsere Kartei berichtigen aber nicht den Ausweis ändern und die Familie hat bei den Behörden kaum eine Chance.

16.30 Uhr packen wir zusammen, allen knurrt inzwischen der Magen aber erstmal müssen wir zurück zum Fluss. Melwin und Juan wollten mit dem leeren und leichten Boot derweil flussaufwärts zu den obersten beiden Gemeinden. Sie informieren, dass wir erst beim nächsten Mal, also im Februar kommen. Ob sie überhaupt hingekommen sind? Ob sie mit heilem Motor zurück sind? Sind sie und sogar gekocht haben sie schon. Egal wie spät es ist – erstmal reinschaufeln und sogar eine kalte Limonade gibt es. Die letzten Eisbrocken aus Rurre. Leider ist es zu spät für eine weitere Behandlung im nächsten Weiler – aber übernachten werden wir trotzdem in San Bernardo und morgen früh loslegen. Wir werden freudig erwartet. Eigentlich wollten wir ja schon gestern dort sein. Zum Glück liegen die Hütten nah am Fluss und es gibt ein klares Bächlein – Badezeit. Vorausgesetzt man erwischt die Zeit zwischen Sandfliegen und Moskito-Rush-hour. Sonst lässt man es lieber sein. Beim Bootschieben werden wir ja sowieso nass ;o))). Schade nur, dass die Kombination aus feuchten Socken und Gummistiefeln geruchstechnisch nicht überzeugen kann.

Dritter Tag. Früh Behandlung in San Bernardo, dann alles einladen und flussabwärts nach Bisal. Wo war das doch gleich? Nach der letzten Flutkatastrophe liegt auch Bisal weit weg vom Fluss. Im letzten Jahr hatten wir Glück und die Männer haben uns mit Einbäumen abgeholt und durch die flachen Altarme gestakt bis fast zum Dorf. Die führen jetzt nie und nimmer genug Wasser. Also Augen auf, wenigstens den Pfadeingang müssen wir erspähen. Heute brennt die Sonne erbarmungslos. Wir stiefeln los und müssen zudem auch noch Wasser mitschleppen für uns und die Medikamente. Aber nanu, der Weg ist ja inzwischen fast eine Straße! Nicht einen Tümpel müssen wir durchwaten und ich bleibe mit der Kiste auf dem Kopf auch nicht hängen! Die Sprechstunde gestaltet sich zäh. Nur Frauen und unzählige Kinder bei gerade mal 5 Familien. Die Mütter schaffen es einfach nicht ihre Bande zusammen zu halten. Vor allem die Kleinen büchsen ständig aus, klettern hierhin und dorthin. Joselo verzweifelt fast und Cesare erst recht. Ständig kommen den Müttern mit „neuem“ Nachwuchs an. Zugegeben, dem Flohhaufen beim Toben und „Spiele erfinden“ zuzusehen macht echte Freude – aber wir verlieren kostbare Zeit bei dem Durcheinander und wegen der Hitze und den Insektenwolken ist es unnötig anstrengender. Aber was solls – ändern kann`s eh keiner. Wir ergeben uns ;o)

Zurück am Fluss müssen wir allerdings eine Entscheidung fällen. Es ist schon viel zu spät! Der nächste machbare Schlafplatz ist Asuncion. Das war auch unser Ziel für heute. Aber dazwischen wartet noch Credal auf uns. Ein Blick auf den Sonnenstand (bei mir auf die Uhr) bestätigt: unschaffbar! Wir starten erstmal, aber selbst flussabwärts müssen wir schieben. Kurve um Kurve, quälend langsam, wenn man immer wieder auf die Uhr schaut. Keine Chance! Da in den letzten beiden Jahren immer nur 2 Familien in Credal vor Ort waren und mindestens eine davon häufig in Rurre ist, entscheiden wir uns, durch zu fahren nach Asuncion. Vielleicht im Februar…. Erst kurz vorm Dunkelwerden erreichen wir das Steilufer von Asuncion. Eine Dämmerung gibt’s in Amazonien so gut wie nicht. Also rapido!!! Alles muss hochgeschleppt werden. Die Sandsack Barrikaden sind gewachsen, aber schon beim drüber kraxeln Zerreißen die ersten Säcke – mürbe von der Sonne. Oben angekommen, erschrecken wir. Der Gesundheitsposten liegt nur noch 10 Meter von der Abbruchkante entfernt. Sollen wir hier wirklich die Zelte aufbauen? Andererseits, alle leben hier mit dem Fluss, also können wir das auch. Dorfchef Mindo zeigt auf eine Chonta-Palme, etwa 4 Meter vor uns. Wenn die fällt, beginnen sie vom Posten an Baumaterial zu retten, was zu retten ist. Den Rest wird sich der Fluss holen…

Kurz nach Sonnenaufgang gibt’s Kaffee und Bajazzo (Clown-Frühstück – also frittierte Pfannkuchen). Die ersten Patienten warten bereits. Asuncion ist mit 30 Familien das größte Dorf am Quiquibey und wegen der Nähe zu Rurre schon immer in einem besseren Zustand und zudem noch sehr gut organisiert. Aber zur Trockenzeit sind sie trotzdem abgeschnitten, wenn der Fluss nicht navigierbar ist. Trotzdem flutscht es regelrecht. Ein eingespieltes Team ist eben Gold wert! Danke! Am frühen Nachmittag packen wir zusammen, schlittern mit dem ganzen Kladderadatsch das steile Sandufer runter und hoffen auf eine reibungslose Rückfahrt nach Rurre. Mhm, aber da ist ja noch die Mündung und mehr Wasser ist immer noch nicht im Fluss… In Zeitlupe tasten sich Melwin und Juan durchs schlammige Wasser. Aber verhindern können sie es auch nicht. Wir haben´s fast geschafft, können den Beni schon sehen. Eine unsichtbare Sandbank saugt das Boot formlich an. Da hilft kein Schaukeln und Ruckeln. Blöde, das man den Grundverlauf nur erahnen kann. Also jetzt wirklich alle raus! Erstmal rückwärts – NEIN! Also vorwärts - geht auch nicht! Wir stemmen uns wie die Ochsen gegen das Boot. Hilft nix! Also seitwärts. Endlich, yayayaya! Plötzlich hechtet Juan ins Boot. Was macht der denn, wir sind doch noch gar nicht richtig frei?!? Dann merk ich es auch. Scheibenkleister! Treibsand – also kein fester Grund, sondern plötzlich eine Stelle, wo man ruck zuck versinkt. Man sieht nix aber merkt es und bekommts mit der Angst zu tun. Zum Glück haben alle vorher die Gummistiefel ausgezogen! Und da man verdammt unförmig aussieht, wenn man sich so kopfüber ins Boot windet, gerät das ganze trotzdem zum Event. Wer nicht gerade mit erschrockenem Gesicht über der Reling hängt, lacht bis es einen selber erwischt. Immerhin kommen wir frei! Endlich, freie Fahrt nach Rurre auf dem viel größeren Rio Beni.

Danke fürs Durchhalten, danke für eine erfolgreiche Tour mit einem Superteam in dem alle überall mit zufassen! Danke an alle, die in Deutschland durch ihre Unterstützung diese Touren ermöglichen! Seit 2007 sind wir Dank euch oft die einzigen, die die Comunidades am Quiquibey wenigstens einmal im Jahr medizinisch versorgen. Bitte bleibt dabei!