Refugio Jaguarete in der Pandemie 2020/21 – eine Bestandsaufnahme
Januar 2022 – wie bei allen Projekten ist uns etwas bange, als wie nach 2 Jahren Pandemie zum ersten Mal wieder auf Station fahren. Natürlich haben wir mit Cachi gemailt und telefoniert in der Zeit, aber ein wirkliches Bild kann man sich erst vor Ort machen. Um ehrlich zu sein, die Vorstellung, dass die Station während der verschiedenen Lockdowns immer wieder für Wochen unbesetzt war, weckt böse Erinnerungen. Damals hatten Landbesetzter die Station blockiert, weil sie ans Holz wollten. Prompt hatten Diebe die Situation ausgenutzt und haben mitgenommen was wertvoll war – Solarpaneele samt Batterie, Gasflasche usw. Klar gabs einen Zusammenhang. Während der Monate/Wochen Ausgangssperre durfte man je nach Personalausweis Nummer, 1x die Woche für 4 Stunden (8.00 – 12.00) sein Haus verlassen. Zwischen den einzelnen Orten wurden die Straßen streng kontrolliert. Man durfte nur zum Einkauf raus, aber keinesfalls seinen Wohnort verlassen. Also war ein Kontrollbesuch höchst illegal und nur sporadisch zu realisieren – im Dunkeln das Motorrad an den Posten vorbeischieben bis man weit genug weg ist. Zum Glück hatten wir keine Tiere mehr im Quarantänegehege und der Rest lebte semi-frei, von der Zufütterung unabhängig. Durch das Agroforestal-System gibt’s genug Früchte. Allerdings hält der Zaun nicht wirklich jemanden ab – vor allem, wenn man weiß, dass alle Welt eingesperrt ist! Neben dem Raubtier Mensch wäre da noch die „grüne Hölle“ an sich. Ein umgefallener Baum, der den Zaun zerstört, ein Ast vom riesigen Cachichira kann ein ganzes Dach zerlegen und Termiten schaffen ein ganzes Haus, wenn man sie nicht in Schach hält. Von all dem etwas wird uns jetzt erwarten.
Aber erstmal haben wir Glück – auf der Hinfahrt frühmorgens kreuzt eine Horde Totenkopfäffchen unseren Weg, im Schlepptau drei Kapuzineraffen. Letztere machen immer einen auf dicke Hose ;o))
Der Fahrweg ist wieder gut in Schuss – freigesägt und frei gehauen. Außerdem hat Cachi mit Theo letztes Jahr eine neue „Brücke“ gebaut. Wir können also trotz Regenzeit bis hinfahren. Eines der Minifelder grenzt jetzt direkt an den Schutzwald – Mais, Melonen, Tomaten und Gurken – klar, dass die Affen lieber hier frühstücken als im ewigen Grün. Wie erwartet muss der gesamte Zaun kontrolliert und frei gehauen werden. An einigen Stellen muss er erneuert werden, da Bäume und Äste ihn niedergerissen haben.
Dann ist sie wieder da, die völlig andere Welt. Während auf dem Hinweg und den brandgerodeten Minifeldern die Sonne brennt, tauchen wir ins Dunkel des Primärurwaldes ein. Schon direkt am Zaun stehen die ersten Riesen, beladen mit Bromelien und Farnen. Nach ein paar Metern pfeifen die ersten Seringeros und steigern sich in ein wahres Konzert hinein. Riesige blaue Morphofalter flattern durch die Luft, dazwischen sirren Kolibris. …und Millionen von Mücken. Jeder von uns zieht eine ordentliche Wolke hinter sich her. Je dunkler die Klamotte, umso größer das Gefolge. Ich bin wie immer selig und laufe lieber, als zu fahren. Auf den ersten Blick ist alles gut hier. Hier hat nur die Natur die Muskeln spielen lassen. Altes macht Platz für Neues. Nach 20 Minuten erreiche ich das Zentrum. Erst mal umschauen. Irgendwas fehlt – keine stürmische Begrüßung. Da so lange nur unregelmäßig jemand auf Station war, haben sich auch unsere Klammeraffenmädels in den Urwald zurückgezogen. Aber ok, das war ja auch der eigentliche Sinn! Weiter geht der Rundgang. Da wartet eine Menge Arbeit! Da niemand die Termiten regelmäßig in Schach gehalten hat, müssen viele Bretter an den Hütten ausgetauscht werden. Ein paar der Stützpfeiler sind ganz schön angefressen. Wir fangen sofort an „To-do-Listen“ aufzustellen. Wirklich wütend machen uns die Einbruchsspuren. Cachi hatte uns schon letztes Jahr geschrieben, dass wir ungebetene Besucher hatten. Also müssen wir eine Menge Werkzeug ersetzen. Selbst die Tür zum Deposito, dem einzigen Ziegelbau, wurde aufgebrochen. Zu allem Übel der Pandemie, musste Cachi letzten Oktober auch noch Piqui entlassen. Denn auch nachdem ein normales Arbeiten wieder möglich war, ist er tagelang nicht zur Arbeit erschienen. Nach mehreren „letzten Versuchen“, musste Schluss sein. Wir waren furchtbar enttäuscht und verstehen es bis heute nicht. Jemand neuen zu finden, wird nicht leicht, aber es wird werden.
Das Quarantänegehege ist nur leicht zugewuchert, aber sofort nutzbar. Auf eines der anderen Gehege ist ein Baum gestürzt und hat es komplett zerlegt. Da hilft nur Rückbauen, was zu retten ist und ein Neues konstruieren. Bisher gab es keine neuen Anfragen seitens der Umweltbehörde für beschlagnahmte Tiere. Bevor es wieder soweit ist, wollen wir alle Gehege überholen und müssen jemand neues zuverlässiges unter Vertrag nehmen. Das Schaffen wir!
Die Lehrpfade müssen mit der Machete frei gehauen werden und ein paar der Schilder erneuert – keine große Sache.
Das größte Ärgernis zeigt uns Cachi erst zum Schluss. Da, wo unser erstes Jaguargehege stand, hat jemand 2 Bäume umgesägt! Wie das? Es sind zwar keine der hunderte Jahre alten Urwaldriesen gewesen, aber trotzdem waren es wertvolle Bäume! Vor allem liegt die Stelle mitten im Wald und keines Wegs an der Grenze. Cachi sagt, dass das erst im letzten Jahr passiert ist. Einen Baum fällt und zerlegt man nicht lautlos. Das Holz schleppt man auch nicht auf der Schulter raus. Piqui hatte behauptet, er hätte nix bemerkt. Also war er entweder nicht an seinem Arbeitsplatz oder…. Wir sind wütend und fassungslos, doch damit ändern wir natürlich nichts. Also nach Vorne schauen. Diese Stückchen Primärurwald, was wir seit so vielen Jahren schützen, ist immer mehr zu einer Rettungsinsel geworden. Für uns und die Biodiversität ist der Schutzwald mindestens genauso ein Schatz wie wieder ausgewilderte Tiere. Alleine, dass die Riesen immer noch stehen, war jede Mühe wert. Wir werden unsere Wildtierkamera wieder installieren. Damit hatten wir vor Jahren schon Wilderer auf unserem Gelände erwischt. Sie stammten aus der benachbarten Gemeinde. 1 Kamera kann natürlich nicht die Welt retten, aber es wird sich rumsprechen, wenn wir jemanden identifizieren. Der Zaun muss durchlässig bleiben, sonst gibt’s auch keine Wildwechsel mehr. Frische Tierspuren, z. B. von Tapiren, Wildschweinen, Rehen und sogar Raubkatzen zeigen, dass der Schutzwald ein gut genutztes Rückzugsgebiet geworden ist.
Also, es gibt viel zu tun, aber wir fangen ja nicht bei Null an! Die Pandemie und ihre Folgen hat auf so einigen Gebieten viel kaputt gemacht, aber es geht weiter! Sonst wäre all die Mühe der letzten Jahre umsonst gewesen….